Alleen sind seit Jahrhunderten fester Bestandteil unserer Landschaftskultur. In Europa und Asien gelten sie als älteste Form der Straßenbepflanzung. Ursprünglich dienten Alleen zur Befestigung der Wege, da ihr Wurzelwerk die Erosion der unbefestigten Wegoberfläche verhinderte. Die geschlossenen Baumkronen lieferten Schatten und Schutz vor Regen und Schnee. Zum Teil lieferten Obstbäume auch Nahrung für die Wanderer.
Vor allem alte Alleen zeigen, dass sie neben der Funktion der Straßensicherung auch eine wirtschaftliche Bedeutung hatten. Alleenbäume lieferten der ländlichen Bevölkerung Nutz- und Brennholz, Bindeweiden, Früchte, Tierfutter, Honig und Heilmittel.
Schon im Altertum wurden Alleen angelegt: Die "Via Appia" war die erste befestigte Fernstraße Europas. Ab 313 v. Chr. von den Römern erbaut, führt sie über eine Strecke von 539 Kilometern von Rom nach Brindisi. Von Bürgersteigen, schattenspendenden Pinien und Grabmälern begleitet, gilt sie bis heute wegen ihrer Schönheit als die "Königin der Straßen"."
Alleen sind nicht nur Durchfahrtsstraßen, sondern sie tragen uns - mit unseren Erlebnissen, Gefühlen und Stimmungen. In vielfältigen Gestalten prägen Alleen die Landschaften, in denen Menschen aufwachsen. Ihr Anblick weckt Erinnerungen und erzeugt ein Gefühl von Heimat. Das macht Alleen zu einem Kulturgut, das schon viele Menschen inspiriert hat.
Im 18. Jahrhundert wurden Alleen auch über das Umfeld von Schlössern hinaus angelegt: Als 'Kommunikationswege' verbanden sie die Schlossanlagen mit der Stadt oder dienten als Heerstraßen und boten den Truppen Orientierung und Schutz. Friedrich der Große war der Meinung, dass eine Chaussee zwar "nicht dem Plaisier" zu dienen habe, aber dennoch Bäume brauche, weil die Soldaten bei ihren langen Märschen sonst zu sehr ermüden würden.
Zahlreiche Alleen haben eine historische Bedeutung, wie z.B. "Unter den Linden" in Berlin, die alte Salzstraße im Raum Halle oder die Heerstraßen Napoleons in Mitteldeutschland.
Spätestens seit dem Barock waren Alleen auch ein wesentliches Element der Landschaftsgestaltung. Sie verschönerten die fürstlichen Reisewege und bereicherten als Teil der barocken Gartenkunst die Landschaft um Schlösser und Residenzen. Sie waren 'für das Auge' entworfen, vergleichbar Galerien und Korridoren in der Architektur eines Hauses.
Beispielsweise wurde die Allee „Unter den Linden“ 1647 in Brandenburg angelegt und verband das Berliner Stadtschloss mit dem Tiergarten sowie mit der freien Landschaft. Ursprünglich war sie sechsreihig, und die Benutzung des breiten Mittelwegs war für das Hofpersonal vorgesehen.
Alleen werden oft mit einem Stück lebendiger Architektur verglichen. Durch ihre organisch gewachsene Form sind Alleen besonders reizvoll: Dicht gepflanzt wirken sie von außen wie eine grüne Wand. Von innen gesehen ist das Blätterdach hingegen gewölbt, was die sogenannte "Domwirkung" hervorruft. Bei größeren Pflanzabständen wird die Geschlossenheit durch den Effekt eines rhythmischen Licht-Schatten-Spiels aufgebrochen. Natürlich wirken diese Effekte auch in die Literatur hinein. Theodor Fontane schrieb: "... durch das Ebenmaß der baumgesäumten Wege sehe ich das Land wie durch das Fenster und fühle mich darin geborgen." Einen Ausdruck eigener Stimmungen haben Dichter in der jahreszeitlichen Wirkung von Alleen gefunden - so Rainer Maria Rilke, dem die herbstliche Allee in seinem Gedicht "Herbsttag" zum Symbol für Einsamkeit wurde: "Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben."
In der Malerei sind Alleen ebenfalls seit langem ein beliebtes Motiv: So bei Vincent van Gogh die "Pappelallee im Herbst" (Nuenen 1884) oder in Edvard Munchs Gemälden "Allee im Schneegestöber" (Oslo 1906) und "Der Mörder in der Allee" (Oslo 1919). Baumreihen, Straßen oder Wege gar zu verpacken ist eine Idee von Christo und Jeanne-Claude, die 1998 in einem Park bei Riehen in der Schweiz zu besichtigen war.
In der Musik werden Alleen zu innerstädtischen Locations - "avenues" (aus dem lat. advenire, d. h. " heranführen" an Gebäude oder Straßen). Meist sind sie Orte stimmungsvoller Erlebnisse oder leidenschaftlicher Begegnungen. So erzählt Bob Dylan: "I heard her say over my shoulder, 'We'll meet again someday on the avenue", tangled up in blue." - während der vereinsamte Ray Charles in "Lonely Avenue" klagt: "I live on a lonely avenue, my little girl wouldn't say, 'I do' ..."